Werte Leserin, werter Leser,
obwohl sich im fernen China das Corona-Virus in beängstigendem Ausmaß ausbreitet, scheint in Europa wieder so etwas wie der gewohnte Alltag eingekehrt zu sein. Der Schein trügt. Das Virus ist nach wie vor da, wir gehen allerdings nun anders damit um. Es gibt ein neues Ranking: da ist zum einen der nun schon fast ein Jahr andauernde Ukraine-Krieg mit all dem menschlichen Leid vor unserer Haustüre, zum anderen verspüren wir nun dessen Folgewirkungen in Form massiver Preiserhöhungen bei Produkten und Dienstleistungen, was sich für eine steigende Zahl von Haushalten existenzgefährdend auswirkt. Die Angst vor Ansteckung ist den Ängsten vor Krieg und Armut gewichen. Die in der ersten Corona-Zeit so oft beschworene Hoffnung auf ein neues Miteinander verkümmert zusehends angesichts wachsender Polarisierungen – sowohl auf der politischen Weltbühne als auch im unmittelbaren sozialen Umfeld. In solcher Zeit ist die Soziologie geforderter denn je.
soziologie heute präsentiert Ihnen auch in dieser Ausgabe Meinungen, Forschungsergebnisse und Denkanstöße. Max Haller geht in seinem Beitrag auf den Ukraine-Krieg ein, bringt Beispiele aus der Geschichte und fragt, ob der Weltfrieden bloß eine Illusion sei. Und während Bernhard Martin Platons Höhlengleichnis mediensoziologisch überarbeitet, gibt Wilma Ruth Albrecht Hinweise zum Verständnis von Wissenschaft. Das Verhältnis von Wissenschaft, Politik und Medien analysierte auch ein Projektteam der Universität Magdeburg unter Leitung von Sina Lautenschläger und Kersten S. Roth. Kevin Winter vom Leibniz-Institut für Wissensmedien zeigt auf, dass der Glaube an Verschwörungstheorien einen entscheidenden Anteil an der Ablehnung von Windrädern hat. Einer neuen Form des Protest wendet sich Michael Mayer in seinem Beitrag zu: den Klima-Klebern der Letzten Generation.
Seit November 2022 scheint die Welt Kopf zu stehen: alle sprechen von der neuen Chatbot von OpenAI: ChatGPT. Was ist ChatGPT eigentlich und wofür kann es genutzt werden? Bernhard Hofer geht auf Vor- und Nachteile ein und hat ChatGPT für soziologie heute kurz getestet. Dass künstliche Intelligenz aber weit mehr kann als bloße Texte zu generieren, legt u.a. auch ein Team der Ruhr-Universität Bochum (Martin Nienhaus, Doron Reichmann, Jonas Ewertz und Charlotte Knickrehm) dar. Sie haben festgestellt, dass die Stimme Rückschlüsse auf die Gewinnerwartung von Unternehmen zulässt.
Der Trend sinkender Mitgliedszahlen in den christllichen Kirchen in Deutschland hält an. Der aktuelle Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung gibt Auskunft über die Veränderung des Stellenwerts der Kirchen in der Gesellschaft. Einem anderen Thema widmen sich WissenschaftlerInnen der Universität Siegen im Forschungsprojekt „DECIDE“. Sie untersuchen wie Menschen mit Alzheimer-Demenz unterstützt werden können, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen. Nach weiteren Beiträgen zu Themen wie Vorurteile, Resozialisierung junger Strafgefangener etc. schließt das Heft 87 mit Richard Albrechts Betrachtungen zu Pauper(ismus), Armut und Prekarität. Und – wie gewohnt – gibt es auch dieses Mal wieder ein interessantes Kreuzworträtsel von Claudia Pass. Viel Glück dabei!
Das Redaktionsteam von soziologie heute wünscht Ihnen eine spannende Lesezeit.